Drama: "Die Räuber"

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JesusDESBOESEN

28, Männlich

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Drama: "Die Räuber"

von JesusDESBOESEN am 19.09.2013 11:50

Da hier ja viele vielleicht intellektuell und literarisch etwas bewand sind, könnt ihr mir bei Folgendem vielleicht weiterhelfen:

Ich habe das Drama Die Räuber gelesen und die Sprache ist zwar wirklich schon etwas älter, aber zumindest der Inhalt doch wirklich sehr interessant, spannend und auch noch aktuell. Eine der beiden Protagonisten "Franz" wird ja in vielen Interpretationsansätzen als Sinnbild des aufklärerischen Rationalismus gesehen. Jemand, der ohne Emotionen und Gefühle seinen Intrigen und seinem großen Plan folgt.
Ich kann diese Interpretationsansätze auch vollkommen nachvollziehen und auch verstehen, aber ich sehe in dem Charakter irgendwie mehr als den bösen, rational denkenden Intriganten, der er von außen zu sein scheint. Als gesamtliterarische Hauptaussage passt dieses Sinnbild auch vollkommen zu Franz, aber auch wenn es vielleicht nur ein Drama mit einem lehrenden Aspekt ist, kann man in Franz, denn nicht vielleicht auch mehr sehen? Den Menschen, der hinter diesem kalten Rationalisten steckt. Man bekommt ja in dem Drama auch viele Hinweise auf seine Vergangenheit, dass er stets ungeliebt und unbeliebt war, dass er missgestaltet ist und wohl möglich durch seine Kindheit traumatisiert ist.
Ich weiß nicht, ob ein solche Sicht der Dinge auf sein solches Werk berechtigt ist, aber darf man diese literarische Figur denn als Mensch sehen? Als Mensch der er ist und nicht nur das Sinnbild, welches er wiederspiegeln soll.
Also Vergleicht habe ich das Lied "Behind Blue Eyes" von Limp Biskit herangezogen, ich jedenfalls könnte mir vorstellen, dass Franz dieses Lied gesungen haben könnte. Ein verzweifelter innerlich zerstörter bemittleidenswerter Mensch. Oder ist er doch nur der kaltblütige Rationalist der Aufklärung?

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La_Cipolla

36, Männlich

Beiträge: 532

Re: Drama: "Die Räuber"

von La_Cipolla am 19.09.2013 12:39

Da die übliche Interpretation solcher Schulklassiker nach Jahrzehnten extreeem formalisiert ist und immer wieder aufs Neue wiederholt und nachgeplappert wird, sollte man sie nicht mehr für bare Münze nehmen, geschweige denn als einzig wahren Textinhalt verstehen. Heißt, ja, hol dir raus was du willst. =) Was irgendwann vor 100 oder 50 Jahren mal als richtig galt, ist heute vielleicht nur noch ein Teil des Ganzen, wenn überhaupt.

Ich persönlich finde die Räuber ja langweilig und hoffe, dass ich sie niemals im Unterricht machen muss. *schüttel* 

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BahnausSee
Gelöschter Benutzer

Re: Drama: "Die Räuber"

von BahnausSee am 19.09.2013 16:58

ich hab ein bisschen theater erfahrung und in meinen augen ist es sehr schwer (und manchmal auch gefährlich) in dramen ZU viel zu interpretieren.
vorallem die klassischen werke der großen deutschen dichter und denker sind meist so gehalten, dass die charaktere stereotypen darstellen. und das auch bewusst sein sollen.
meist haben diese figuren einen bestimmten charakterzug oder passen in ein bestimmtes schema (franz = aufklärung).

natürlich kann man aber mit moderneren herrangehensweisen die charaktere etwas genauer in augenschein nehmen.
so kann franz z.b. nicht nur der stereotyp psychopath sein, sondern durchaus auch ein mensch.
psychologisch gesehen ist sein verhalten nämlich schlichtweg das, des kleineren bruders.
vernachlässigung, neid, gier, wut, egoismus das passt alles zusammen und würde sein verhalten besser erklären.

wie gesagt ist es aber so: es steht nicht im drama. schiller hat es nicht in den off geschrieben, vllt hat er es sich auch so gedacht, aber man weis es nicht. und es spielt auch nur marginal rolle für das stück an sich.

im allgemeinen also: pass auf, dass du nicht zuviel in die figuren interpretierst.


(zusatz: das gilt hauptsächlich für klassische dramen, in modernen sieht die sache wieder ganz anderst aus. bei "Warten auf Godot" z.b. kann man garnicht genug in die figuren reinlesen [und da ist es auch beabsichtigt])

Antworten Zuletzt bearbeitet am 19.09.2013 16:59.

JesusDESBOESEN

28, Männlich

Beiträge: 326

Re: Drama: "Die Räuber"

von JesusDESBOESEN am 19.09.2013 21:35

Aber ist der Stereotyp "Franz=Aufklärung" nicht auch genauso eine Hineininterpretation, die auf seinen Taten im Drama beruht.
Oder hat Schiller selbst irgendwann mal gesagt, dass Franz den aufklärerischen Rationalismus widerspiegelt?

Und auch, wenn sich Schiller damals vielleicht andere "Dinge" für sein Drama überlegt hat, ist es nicht auch legitim im Laufe der voranschreitenden Zeit andere Dinge hineininterpretieren zu dürfen. Das Drama bleibt zwar das Gleiche, aber das Zeitgeschehen verändert sich und heutzutage spielen die wirklichen Menschen, die Personen, die hinter solchen Charakteren stehen eine größere Rolle, als sie es vielleicht damals gespielt haben. Im Gegensatz ist der aufklärerische Rationalismus, den Franz darstellen soll, heutzutage nicht wirklich mehr so aktuell.
Darf man denn Werke auch nicht vielleicht auch etwas dem Zeitgeschehen angepasst analysieren. Natürlich darf man dabei nicht in sonstirgendwelche interretatorischen Weiten verschwimmen.  

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Antworten Zuletzt bearbeitet am 19.09.2013 21:39.

La_Cipolla

36, Männlich

Beiträge: 532

Re: Drama: "Die Räuber"

von La_Cipolla am 19.09.2013 21:40

Wäre auch egal. Der Autor ist bekanntlich auch bloß eine Meinung, und nicht unbedingt die verlässlichste. ;D

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JesusDESBOESEN

28, Männlich

Beiträge: 326

Re: Drama: "Die Räuber"

von JesusDESBOESEN am 19.09.2013 21:44

Also ich kenne es so, dass man alles interpretieren kann, solange man es einigermaßen am Text belegen kann.
Und ich finde, dass man sowohl den kalten, emotionsonsolen aufklärerischen Rationalisten in Franz sehen kann, als auch den innerlich total gebrochenen, zerstörten und traumatisierten Menschen, der sich nur nach Liebe und Zuneigung sehnt.  

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BahnausSee
Gelöschter Benutzer

Re: Drama: "Die Räuber"

von BahnausSee am 19.09.2013 22:14

es ist eben die frage was man will.

ich bin ein freund der historischen interpretation.
also ich will verstehen was der autor mir sagen wollte. dazu muss ich die zeit berücksichtigen in der das stück geschrieben wurde, ich muss den autor so gut kennen wie es geht und ich muss dann auch aufhören wenn ich zu einer lösung gekommen bin.

es gibt aber auch die moderne methode, in der man den text aktuell sieht und versucht rauszufinden was der text JETZT aussagt.

sicher ist aber, der autor hat sein werk nicht einfach so grundlos geschrieben, er wollte etwas aussagen und es liegt an uns rauszufinden was genau er sagen wollte.
auf was genau wir es dann beziehen wollen liegt aber immer im auge des betrachters.
solange man sich dessen immer bewusst ist spielt es keine rolle für welche methode man sich entscheidet, aber mann darf nicht vergessen, dass das stück nunmal in einerm andern zeit geschrieben wurde und in der zeit wohl andere bedeutungen haben könnte. 

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La_Cipolla

36, Männlich

Beiträge: 532

Re: Drama: "Die Räuber"

von La_Cipolla am 20.09.2013 09:05

Das ist natürlich absolut richtig.

Wichtig wird die Frage erst, wenn die Bücher in der Schule durchgenommen werden, weil die Interpretation dann bewertet wird - und das ist leider der übliche Kontext in Deutschland. ;D An der Stelle kann man nicht mehr sagen "macht, wie es euch gefällt", sondern es muss klare Richtlinien geben. Die rein historische/autor-zentrierte Interpretation kommt aber zum Glück langsam aus der Mode. Ich denke mal, in zwei Lehrergenerationen dürfte sie sich als Standard erledigt haben und ist dann nur noch eine Aufgabe von vielen ("Interpretiere das Werk mit Hinblick auf die historischen Umstände 1843 bla").  

sicher ist aber, der autor hat sein werk nicht einfach so grundlos geschrieben, er wollte etwas aussagen und es liegt an uns rauszufinden was genau er sagen wollte.

Das Interessante ist aber eigentlich: Ist es dem Autor gelungen? Und, was hat er noch ausgesagt, ohne es zu merken? Letztendlich liest jeder das Buch unter anderen Voraussetzungen (Erfahrungen, Erwartungen etc.), und so kann die Intention des Autors bei manchem eine Auswirkung haben, bei anderen gar nicht. Zumal der Autor halt auch nicht fehlerfrei oder unbeeinflusst ist - viele Klassiker haben bspw. eine mehr oder minder subtile rassischste Note, die einem heute ins Auge sticht und so ganz andere Interpretationsmöglichkeiten eröffnet. Der Autor WOLLTE das nicht aussagen, aber er sagt es aus, und das ist mindestens genau so interessant. Ich meine, was interessiert mich die Meinung eines alten Knackers aus den 1800ern? Ich gucke lieber, was ich selbst im Buch finde. ^^

Kafka ist da ein schönes Beispiel - man weiß ja relativ sicher, wieso er seinen Kram geschrieben hat, aber ganze Schülergenerationen haben anderen Kram reininterpretiert, die auch viel besser zum Text gepasst hat (und dafür viel zu oft schlechte Noten bekommen ^^).
Oder Gedankenspiel: Was ist bei Büchern von anonymen Autoren bzw. unbekannten Pseudonymen? Darf man die gar nicht interpretieren, wenn man keine Anhaltspunkte zur Autorintention hat und nur mithilfe des Textes raten kann? 

Heißt aber wie gesagt nicht, dass man nicht nach der Aurorintention suchen darf, auch wenn es die Didaktik gerade ein wenig verabscheut. Ich finde das schon interessant, es ist nur nicht die wichtigste oder gar einzige Dimension eines Buchs.

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Antworten Zuletzt bearbeitet am 20.09.2013 09:06.

BahnausSee
Gelöschter Benutzer

Re: Drama: "Die Räuber"

von BahnausSee am 20.09.2013 11:36

Ich meine, was interessiert mich die Meinung eines alten Knackers aus den 1800ern?


oooooh das ist aber etwas ganz ganz ganz gemeines und ein falscher satz wenn ich mir das erlauben darf.
wenn du nicht wissen willst was die leute in der vergangenheit dachten (egal in welcher zeit) dann brauchst du auch keine klassiker lesen.
also ganz ehrlich, da muss ich dich schon korrigieren, so einen satz kannst du nicht wirklich vertreten und gleichzeitig über interpretation reden.

Kafka ist da ein schönes Beispiel - man weiß ja relativ sicher, wieso er seinen Kram geschrieben hat


sorry dass ich so hart bin, aber das ist einfach schwachsinn. niemand weis wirklich was kafka eigentlich genau aussagen wollte.
ich hatte das glück einer vdammt guten deutschlehrerin und ich hab viel mit ihr, auch auserhalb des unterrichts über kafka geredet. (deshalb fahr ich bei dem satz doch sehr aus der haut)
in vielen stunden des lesens, des interpretierens, des nachschauns und des verstehens bin ich zu dem schluss gekommen, dass kafka so viele verschiedene ansätze in seinen werken hat, dass es unmöglich ist sich auf eins zu fixieren.
ist es die pure depression eines modernen autors, der hass zu seinem vater, seine schlechte gesundheit, die zuneigung zu seinen geschwistern, oder oder oder
das alles hab ich, wie erwähnt, mit meiner lehrerin diskutiert und auch sie, eine hoch gebildete, studierte, mit vielen generationen erfahrung gefütterte, fachfrau sagte zu mir "Das stimmt wohl alles so ein bisschen, aber am Ende kann man über Kafkas Texte nicht viel mehr sagen, als dass sie schlichtweg Kafkaesk sind. Beschäftigen Sie sich solange sie wollen mit diesem Mann, Sie werden nie herrausfinden was er sagen wollte." 
kafka ist der sonderfall unter den autoren.
(sorry für diesen leichten exkurs) 


Heißt aber wie gesagt nicht, dass man nicht nach der Aurorintention suchen darf, auch wenn es die Didaktik gerade ein wenig verabscheut. Ich finde das schon interessant, es ist nur nicht die wichtigste oder gar einzige Dimension eines Buchs.

 Einverstanden! 

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La_Cipolla

36, Männlich

Beiträge: 532

Re: Drama: "Die Räuber"

von La_Cipolla am 20.09.2013 14:07

Ich glaub, deine Signatur ist etwas zu groß. ;D

Kafka hat halt sehr viele Briefe und andere Reflexionen hinterlassen, die viel mehr Informationen bieten, als man bei anderen Autoren hat. Dadurch war es sehr lang üblich, alles bei Kafka auf seinen Vater zu reduzieren, vor allem in der Schule. Wenn du da was anderes interpretiert hast, war es tendenziell falsch. Ändert sich heute glücklicherweise, das war ja genau mein Punkt.

wenn du nicht wissen willst was die leute in der vergangenheit dachten (egal in welcher zeit) dann brauchst du auch keine klassiker lesen.

Das ist imho falsch. Wenn wissen willst, was die Leute in der Vergangenheit dachten, musst du natürlich nach ihrer Textintention suchen, wenn du aber wissen willst, wie sie dachten, und warum sie so dachten, interpretierst du den Text am besten ohne die Intention. Das bewusst geplante ist schließlich nur die oberflächliche Information, aber in einem Text steckt so viel mehr, dessen sich die Autoren oftmals nicht bewusst waren (und nicht bewusst sein konnten - viele historische Sachen bspw. hat man halt erst später objektiver betrachten oder in einen Kontext setzen können).

Los Muertos, ein Rollenspiel mit Skeletten - Inklusive Thread am Nerdpol!

Antworten Zuletzt bearbeitet am 20.09.2013 14:12.
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