Sterotypen (im Rollenspiel)

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Charisturcear

37, Männlich

Beiträge: 28

Re: Sterotypen (im Rollenspiel)

von Charisturcear am 12.02.2017 08:05

Meine drei Vorredner haben das ganze schon recht detailiert ausgeführt, deshalb will ich meinen Beittag nicht all zu sehr auswalzen sondern kurz halten.

Stereotypen sind Hilfsmittel, aber kein Grundkonzept. Ein NSC (oder auch Charakter) der nur auf Stereotypie aufgebaut ist wird ebenso leblos wirken wie einer, der in jedem Detail versucht, den Stereotypen zu brechen. Meine NSCs neigen dazu, oft einem (mal mehr, mal weniger großen) Teil des stereotypen Bildes zu entsprechen, aber auch immer wieder in Punkten davon (teilweise deutlich) abzuweichen.

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HabschattenUhu

29, Männlich

Beiträge: 36

Re: Sterotypen (im Rollenspiel)

von HabschattenUhu am 12.02.2017 03:14

Nun, ich muss gestehen, dass ich mich bisher niemals wirklich eingängig mit der Thematik der Stereotypen im RP auseinandergesetzt habe. Hier das Resultat eines spontanen Brainstorms ohne wissenschaftliche Belege. ;)

Mein Eindruck ist, dass Stereotype nunmal eine psychologische und daher naturgegebene Sache sind. Es wäre meiner Ansicht nach Verblendung, sich als prinzipieller und ausnahmsloser Feind aller Stereotypisierung/Schubladendenke einzuordnen, da man selbst doch mit jedem Tag stereotype Verbindungen knüpft. Sei es nun bewusst oder eher unbewusst - Nobody is perfect.

In die kategorie fällt meines Erachtens zB. auch die verhärtete Streitfrage über Musikgeschmäcker: "Hip Hopper, dass sind doch die Typen die immer nur auf Hirn und Gehaltlosen Gangsta-Rap stehen und deren Hosen bis unter den Schritt gezogen sind. Die sind doch blöde." oder "Metaller, das sind doch die schmutzigen, melodramatischen Typen, die ausschließlich zu unverständlichem Geschrei ohne Gehalt mit dem Kopf vor und zurück schlagen." oder "Klassische Musik? Das hören doch nur Opas, die nicht mit der Zeit gegangen sind und keinen Deut auf Songtexte und ihre Botschaften geben." usw...

 

Aber zurück zum RP:

In der Frage ist es glaube ich wichtig, wie die Stereotypen präsentiert werden. Aus der Luft gegriffene Stereotype wie der dickliche, bärtige, brummelige Kapitän; der weise Zauberer in langer Robe und Spitzhut oder der -im krassen Akzent redende- Auslandsstämmige, werden ja eben sehr gerne als langweilig bzw. rassistisch angesehen. 

 

Grund dafür ist glaube ich, dass in diesen Fällen ihr stereotypes Bild nicht mit Charakter gefüttert wurde oder der Stereotyp zu krass ausgespielt wurde. Ich glaube nicht, dass es grundlegend verwerflich ist, sich im Rollenspiel an Stereotypen zu orientieren. Es sollte allerdings deutlich gemacht werden, dass hinter der Figur auch noch was anderes steckt als der Stereotyp. Aus der Figur sollte im Optimalfall ein geprägtes Individuum werden.

Vielleicht erfahren die Spieler, dass der Kapitän aus gutem Grund brummelig ist und ansonsten ein doch sehr angenehmer Zeitgenosse ist?

Vielleicht weicht der Magier nicht in seiner Kleidung vom Stereotyp ab aber durch sein Wesen und er hält seinen Aufzug nunmal für den neuesten Schrei?

Vielleicht ist der grobschlächtig und rüpelhaft wirkende russischstämnmige Rausschmeißer eigentlich ein doch ganz sanftmütiger Genosse, den man gerne zu einem Bier einladen würde?

Vielleicht ist die unschuldig und freundlich wirkende alte Dame -der über die Straße geholfen werden muss- tatsächlich so fit, dass sie einige Tage zuvor ihren Ehemann erschlagen hat?

Vielleicht ist der strahlende Anführer einer Widestandsbewegung gegen den Tyrannen in Wahrheit nur daran interessiert sich selbst auf den Thron zu hieven?

 

Problem: Stereotype kommen nicht von Ungefähr - so vermute ich. Sie speisen sich aus der Beobachtung und orientieren sich an dem vermeintlich Offensichtlichen, Beispielhaften und extrem anmutenden, dass der eigenen Kultur oder dem eigenen Wesen fremd ist. Die zum Stereotypbild verarbeiteten Extreme sind also auch irgendwo in der Gesellschaft zu finden und werden zur inter-/intrakulturellen Abgrenzung und eigenen Identitätsbestätigung (Gut, dass ich keiner von denen bin...) auch gerne noch ein gutes Stück weit überspitzt.

Ob diese Extreme denn nun in größerer oder geringerer Konzentration vorhanden sind gilt es zu klären - aber sie waren oder sind noch immer da. Daher wird es -so scheint mir- auch immer Leute/Figuren geben, die den ihn zugeschriebenen Stereotypen doch sehr entsprechen.

Solche Figuren im Rollenspiel dann darzustellen ist durch die Stereotypenächtung im RPG ja leider recht schwierig. Vielleicht hilft es einfach, diese "stereotype" Figur als Kontrast zu anders gestrickten Individuen der gleichen Stereotyporientierung einzubauen.

Ein stereotyper, schusseliger und zerstreuter Wissenschaftler stellt vielleicht eine Ausnahme unter seinen etwas gesammelteren Kollegen dar und erhält dadurch wiederum ein gewisses Maß an Existenzberechtigung, da es solche wie ihn nunmal auch geben mag.

 

MfG: Penumbra Wolf

 

PS: Der dargestellte stereotype Charakter sollte meines Erachtens so gestaltet werden, dass niemand Gefahr läuft, ihm automatisch die potentielle Existenz einer Charaktertiefe abzusprechen. Das Problem ist, dass das für den SL nunmal eine heiden Arbeit bedeutet und ich gebe zu, dass ich selbst mich nicht ständig an diese Regel halte. Sich für jede Person eine Persönlichkeit aus den Fingern zu saugen, auf die die Charaktere rein zufällig und nur flüchtig treffen, ist mir persönlich too much. So enden Passanten auf der Straße nicht selten als uninteressante graue Mäuse und Stadtwachen als rechtschaffene, humorlose Gardisten, die nur ihre Arbeit tun und sonst nicht weiter von Interesse sind. ;)

HabschattenUhu... ja ich bin sogar zu blöd dazu Ha(l)bschattenUhu zu schreiben. xD

Antworten Zuletzt bearbeitet am 12.02.2017 04:11.

Kali_Brie_Rung

44, Männlich

Beiträge: 202

Re: Sterotypen (im Rollenspiel)

von Kali_Brie_Rung am 12.02.2017 00:10

Denke, dass es etwas mit der Psychologie zu tun hat.

Der Mensch, oder vielleicht besser unser Hirn, ist permanent bestrebt irgendwelche Regeln abzuleiten.

Wenn so... dann so...

Es fängt bei Dingen an wie: es wird draußen plötzlich Dunkel und gleich wird es bestimmt Regnen.

Ebenso versucht das Hirn im Sozialkontakt das Gegenüber einzusortieren. Es funktioniert ja auch. Es gibt für viele Situationen einfach nur ein gewisses Spektrum von Verhaltensweisen oder Reaktionsweisen.
(Wer mir freundlich "Guten Tag" sagt wird mich selten im Anschluss verprügeln, wer dagegen mit zum Angriff erhobene Fäusten auf mich zukommt schon eher.)

Das Hirn beginnt in Schubladen Äußerlichkeiten mit zu erwartenden Verhaltensweisen zu sortieren und abzugleichen.

Wie bei dem Beispiel mit dem wolkenverhangenen Himmel würde es logisch keinen Sinn machen alle Fenster aufzureißen und beinahe ohne Kleidung für längere Zeit hinauszugehen. (Sicherlich lassen sich Situationen konstruieren, wo es doch Sinn machen würde...)

Stereotypen haben mit Sicherheit etwas diskriminierendes an sich. Sie geben aber der inneren Struktur eine gewisse Ordnung.

Denke es hängt von der jeweiligen "Prozessorleistung" ab wie komplex die angelegten Stereotypen sein können. Dennoch muss jedes Hirn mit ihnen arbeiten, um sich zurecht zu finden.

Fällt etwas aus dem stereotypen Rahmen, dann reagiert der "eine" durch Ignoranz der "andere" mit Erweiterung seiner Schubladen und Stereotypen.

Persönlich finde ich letzteres sympathischer.

Im Rollenspiel helfen die Stereotypen, um sich wiederzufinden. Das sind Schnittmengen zwischen den Individuen wie z.B. die Farben.

Ich weiß natürlich nie wirklich ob du oder er oder sie das "Rot" genauso sehen wie ich. Aber immer wenn wir Rot benutzen, wissen wir alle in etwa, was gemeint ist. So ähnlich hilft es uns auch mit den Stereotypen.

Ich glaube sogar, das ein RP ohne jegliche Stereotypen auf Dauer zu anstrengend wird, da es nichts "Gewohntes" gibt.

Was ich mir aber schon vorstellen kann, dass sich z.B. innerhalb einer Gruppe, vielleicht sogar einer Community bestimmte alternative Stereotypen entwickeln können.

So schätze ich als Beispiel, dass ein Großteil aller Rollenspieler einen Stereotyp "Magier" haben (ich sag jetzt mal Typ Merlin, Gandalf, Khulgan, Rohal,...), der dagegen bei nicht Rollenspielern sehr abweichen kann (Siegfried und Roy, David Copperfield, Pan Tau,...).

Ich glaube, dass es innerhalb einer Gruppe geklärt werden sollte, inwieweit es ok ist auf Stereotypen zurückzugreifen, oder eben nicht. Gerade wenn es Befindlichkeiten trifft, sollte das, denke ich, legitim sein das ansprechen zu dürfen.

Selbst habe ich es bisher wohl so gehandhabt, dass ich mehr darauf zurückgreife, wenn ich improvisiere. Ausgearbeitete Charaktere haben Facetten und Nuancen die über Stereotypen hinausgehen.

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ZaphodBeebl...

52, Männlich

Beiträge: 26

Re: Sterotypen (im Rollenspiel)

von ZaphodBeeblebrox am 11.02.2017 23:59

Bonsoir aus Frankreich,

Stereotypen sind nicht beim Urknall entstanden, sie haben einen Grund. Mein Problem mit politischer Korrektheit ist, dass sie viel zu rasch in Zensur ausartet. Zensur ist nie gut denn Wegschauen bewirkt nix!

Ich glaube fest an die "Selbstkontrolle mittels gesundem Menschenverstand" durch die Runde der Rollenspieler. Sklaverei (als Beispiel) ist eine Tatsache, in gewissen Ländern auch heute noch. Sie aus Spielen heraus zu streichen ist verlogen und hilft nicht, das Problem eines Tages zu lösen.
Als Spielmeister muss ich zB orientalische Sitten weder ablehnen noch befürworten, wenn ich aber eine Heldin auf dem Mark in Berlin gleich behandle wie auf dem Markt in Kabul, dann mache ich meinen Job schlecht (Das sage ich als Person, die viel gereist ist und die Situation erlebt hat)! Wenn ich die Szene im Basar von Kabul also mit Realismus und gesundem Menschenverstand behandle, so werden mich nach meiner Meinung nur Leute als Rassist anfeinden, denen eh' nicht mehr zu helfen ist. Wenn ich aber den Basar ausschließlich mit Karikaturen wie blutrünstigen Messerstechern ohne Hirnmasse bevölkere, so rechne ich fest damit, dass sich die Spieler irgendeinmal räuspern und darauf hinweisen, dass dies eine Rollenspielrunde ist und kein Parteikonvent..... die Schelte hätte ich dann auch verdient und würde es verstehen.
Mit Gewalt ist es doch dasselbe; Schwer nachzuvollziehen, wie das Orkheer nur durch Streicheln geschlagen werden soll - ABER eine Gruppe die mordend und marodierend durch die Landen zieht würde ich als Meister nach einigen mehr und weniger subtilen Warnungen durch Meisterfiguren ohne große Hemmungen auch bis an einen Galgen führen. Sie wollen harte Bandagen, sie kriegen harte Bandagen....aber auch da würde ich das dann ohne Zensur zur Wahrung politischer Korrektheit bis zum bitteren Ende durchziehen. Nur so sähe ich gewährleistet, dass ein unreifer Spieler daran wachsen kann. AKTION-REAKTION.
Soweit meine persönliche Meinung - kann natürlich völlig falsch sein!

So, und apropos Stereotypen, jetzt wird es Zeit für meinen Cognac!

Amitiés

"In England gibt es drei Soßen und dreihundertsechzig Religionen, in Frankreich drei Religionen und dreihundertsechzig Soßen."

Charles Maurice de Talleyrand

 

Antworten Zuletzt bearbeitet am 14.02.2017 11:29.

Dioxin

38, Männlich

Beiträge: 132

Sterotypen (im Rollenspiel)

von Dioxin am 11.02.2017 23:06

Hi,

seit ein paar Tagen läuft mir immer mal wieder eine Frage über den Weg deren Beantwortung mir gar nicht so leicht fällt.
Und Zwar:
Sind Stereotypen im Rollenspiel eher hilfreich, langweilig oder vielleicht sogar rassistisch?
Und wenn ja warum und wo liegt die Grenze?

Gekommen bin ich  darauf weil ich neulich diesen Artikel lass:
Sterotypen im Larp

wenn mich voher jemand darauf angesprochen hätte hätte ich warscheinlich gesagt "natürlich sind Stereotypen jeglicher Art völlig kacke. Man kann doch nicht alle [Randgruppe hier bitte einfügen] über einen Kamm scheren.
Daraufhin habe ich ein bisschen mit meiner Freundin diskutiert die eigentlich genau diesen Standpunkt vertrat und anhand vom Mexikaner in "Dispecable me"  aufzeigen wollte warum es per se völlig rassistisch ist Stereotypen zu benutzen.


Danach schauten wir dann Samurai Jack (weil ich das gerade endlich mal nachole bevor die 5. Staffel kommt) und meine Freundin es liebt, und mir fiel auf das es Stereotypen wirklich überall gibt.
(Und tatsächlich gerade in Kinderfilmen) weil sie einfach vieles bei der Charakterzeichnung vereinfachen.
Man weiß eben genau was man von einem geduldigen Samurai erwarten kann, oder von einem schottischen Dudelsackspieler mit Zweihänder auf dem Rücken.


Und gerade dann ist es um so überaschender und erfrischender wenn man den Stereotypen erst dann aufbricht wenn er erst etabliert ist.


Gestern ist mir dann noch folgender Link in den Browser bekommen bei dem jemand über das Spiel Istanbul abgeledert hat:
https://de.qantara.de/inhalt/ein-brettspiel-namens-istanbul-orientalismus-fuer-die-ganze-deutsche-familie
Dieser ist mir relativ sauer aufgestoßen da ich ein bisschen das Gefühl habe das im Medium Brettspiel bisher sehr gut damit umgegangen wurde und seit aus 5 Tribes zB die Sklaven rausgenommen und durch Fakire ersetz wurden so eine komische politische Korrektheit einzug in meine Hobbys hält.
Ich bin völlig dafür das man sich auch im Medium Brettspiel an bestimmte Geflogenheiten hält aber warum ein Basar im Orient rassistisch sein soll habe ich irgendwie nicht verstanden. Gerade weil der Autor gewisse Regeln durcheinanderbringt und als Alternative vorschlägt man solle ein abstraktes Spiel statt einem thematischen auf den Markt bringen oder gleich lieber Schach spielen.
Ich der sehr gerne Schach spielt aber eben auch thematische Spiele denke mir da nur "Thema verfehlt.

Naja. schreibt gerne etwas dazu. Würde mich mal interessieren wie ihr das so im Einzelnen handhabt
Benutzt ihr Stereotypen?  Ob nun als Spielleiter oder Spieler? Wenn ja warum? Wo ist eure Grenze?
bzw. Warum nicht? 

Liebe Grüße :)

aka Blumenhasser

Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.02.2017 23:21.

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