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Ursus_Maior

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Re: Götter im Rollenspiel

von Ursus_Maior am 26.03.2014 17:07

Ah eines meiner liebsten Themen: Religion (im RPG).

Es kommt wohl auf das Spiel und die Bedeutung von Religion für das (erlebte) Spiel an. Als Spieler kann mir das relativ egal sein. Wenn man davon ausgeht, dass Gottheiten in einer Welt intersubjektiv messbare Erfahrungen oder sogar intersubjektiv wahrnehmbare Akteure sind, dann ist es für die meisten Charaktere wohl egal, an welcher Ebene die Gottheiten aufgehängt sind; also ob sie zu einer bestimmten Ethnie oder einer Spezies gehören, oder universelle Kräfte darstellen, die nur je nach Gruppe eigene Namen und Traditionen tragen.

Als Spielleiter und für manche Charakter-Typen sieht das anders aus. Es geht dann um die grundsätzliche Kosmologie der Welt und damit um eine "wissenschaftliche" Typologisierung und Messung von Gottheiten. Ein Kosmos funktioniert ja unterschiedlich, wenn es nur eine oberste Gottheit gibt und darunter Wesen mit übermenschlichen Kräften existieren oder wenn es eine Menge von Wesen gibt, die übermenschliche Fähigkeiten besitzen, aber untereinander sich nicht um Größenordnungen unterscheiden. Das ganze wird vielleicht nochmal komplizierter, wenn es verschiedene intelligente Spezies gibt, deren Kräfte untereinander sehr unterschiedlich sind, die aber auch verschiedene Götterkreise kennen.

Wirklich problematisch ist aber die Konsequenz von einem "echten" Polytheismus. Das Problem dabei ist die mangelnde Erwartungssicherheit. Bei Gottheiten muss man sich ja immer fragen, was man als Mensch (oder Elf) damit will. Dazu hilft ein Blick in die Antike. Das Verhältnis zwischen antiken Menschen und Göttern ist recht einfach umschrieben mit der lateinischen Formel do ut des ("ich geben, damit du gibst"). Man trat also gegenüber der Gottheit in Vorkasse, damit diese einem etwas gab. Meist wollte man nur von den Gottheiten nicht negativ beeinflusst werden, aber positive Gaben wurden natürlich um so lieber gesehen.

Im Laufe der Antike, so etwa seit Beginn der Römischen Kaiserzeit, freundete man sich dann in größerer Breite mit der Idee an, dass es eine Obergottheit geben müsste. Dies war zunächst ein philosophisches Theorem gewesen, da irgendwas die Welt und alle ihre Bewegungen ja angestoßen haben musste. Aristoteles und die Platoniker waren sich sicher, dass irgendwo in der Kausalkette also ein Erster Beweger sitzen müsse, der selbst unbewegt war. Dieser "unbewegte Beweger" (Aristot. Met. 12.1072b "ὃ οὐ κινούμενον κινεῖ") diffuniderte als Wissen von den Philosophen hinunter in die Aristokratie und von da an in die aufstrebende Mittelschicht. In diesem Wissenskontext entstand dann der Glaube und die Hoffnunf diesen unbewegten Beweger genau so manipulieren zu können, wie die Götter. Dazu musste man natürlich wissen, was er eigentlich will, denn es gan zu dieser wissenschaftlich greifbaren Gottheit keine traditionelle Theologie, keine überlieferten Riten und schon gar keine konkrete Dogmatik.

Was macht ein Wissenschaftler, wenn er nicht weiß, was er messen soll, wie er messen soll und was er sagen soll, wie zu verfahren ist? Er sucht nach der Meinung anderer. Und genau das passiert in der Kaiserzeit ganz massiv: Man schaut über den Tellerrand und betrachtet die Götterkreise der Nachbarn sehr genau. Man hatte immer schon Ähnlichkeiten in den Götterbildern festgestellt, aber jetzt wurde es quasi "wissenschaftlich anerkannt" Isis, Demeter und Kybele oder Sarapis, Zeus und Baal gleichzusetzen. Denn die wichtigste Regel in vormodernen Wissenschaften ist die Degenerationsregel und damit kann man eine Menge anfangen. Der Kern ist folgendermaßen: Am Anfang war die Wahrheit und die wurde dem Menschen von der einen Gottheit offenbart. Im Laufe der Zeit degenerierte der Mensch aber und daher war früher eben alles besser. Die Menschen waren der Wahrheit, also "Gott" näher und "wussten" daher, wie zu verfahren war.

Da die Griechen sich für schlau hielten, aber wussten, dass es ältere Völker (= Kulturen) gab, suchte man sich die ältesten bekannten Völker aus. Das waren meist die Ägypter, gelegentlich auch die Phrygier. Die Ägypter galten als extrem unverfälscht, sittentreu und weise. Das führte dazu, dass unter Philosophen ihre Riten als "wahrhaftig" galten. Man konnte also vielleicht durch eine Analyse dieser Riten an die Riten zu Ehren des unbewegten Bewegers gelangen.

Nota bene: Der Satz "am Anfang war die Wahrheit und die wurde dem Menschen von der einen Gottheit offenbart" ist im Deutschen leider nicht so gut wiederzugeben. Die göttliche Wahrheit wird im Griechischen mit "logos" bezeichnet und diese eine Gottheit ist gleichzusetzen mit der Wahrheit, also als kosmologische Konstante. Der Satz taucht darum praktisch genau so auch im Johannesevangelium (1,1–18) auf: Im Anfang (ἀρχή) war das Wort (λόγος) und das Wort war bei Gott,und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort gewordenund ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.

Das klingt alles komplizierter als es ist, darum zurück zu einem der Gründe für Religion: Erwartungssicherheit. Gottheiten sind für die Antike (und darüber hinaus) Akteure mit Motiven wie Menschen auch. Wer will, dass die Gottheit einen nicht bestraft oder sogar Belohnung wünscht, der muss alles richtig machen und dazu muss er jetzt dann auch wissen, was das ist. Wir haben hier den Wechsel von der Orthopraxie - traditionelle Rituale kennen und asuführen - hin zu einer Überlegenheit der Orthodoxie. Es ist nun wichtig eine richtige Lehre von der Gottheit zu betreiben, da man vor der Orthopraxie erstmal rausfinden muss, wie man denn "richtig handelt".

Wo hilft uns das als Rollenspieler? Eine Welt, die wie unsere, sich intensiv mit ihrer Kosmologie selbst beschäftigt - und das ist gegeben, sobald es sowas gibt wie große, hierarchische Glaubensorganisationen oder auch Forscher und nicht zuletzt auch in Ordnungskategorien denkende Magietheoretiker - wird versuchen eine einheitliche Lehre vom Kosmos aufzustellen. Egal, ob die der "Wahrheit" der Autoren nahe kommt, die Erkenntnisse der Kosmologen bestimmen, wie die Rezipienten die Welt wahrnehmen. Zugleich werden die Gottheiten in der Welt auch eigene Motive haben. Das ist unumstößlichm denn jeder Handlung liegt ein Motiv zugrunde. Ein gewährtes Wunder, ein erhörtes Gebet, all das deutet darauf hin, dass die Gottheit das will. Es sei denn, Gottheiten sind Kraftfelder, die mit korrekten Techniken "angezapft" werden können. Aber solange dies nicht auch gewusst wird von den Priestern wird man den Kraftfeldern immer Motive unterstellen.

Wenn also jedes Volk "tatsächlich" eigene Gottheiten hat, die untereinander alle gleichstark sind, dann werden diese Gottheiten unterschiedliche Motive haben. Sie werden dann wohl ihre Verbündeten die Kämpfe lieber stellvertretend ausfechten lassen, als sich selbst zu gefährden. Im Prinzip sind solche Wesen aber keine Gottheiten. Sie sind sehr mechtige Akteure, aber sie funktionieren nach den gleichen Regeln wie Menschen (oder Elfen).

Wenn Gottheiten jedoch nur einmalig als Prinzipien exisiteren und die Völker nur Aspekte oder lokale Ausprägungen verehren, dann kommt es womöglich darauf an, dass die Gottheit "richtig" verehrt wird, um sie für sich zu gewinnen. In diesem Fall sind die Gottheiten vermutlich auch zu weit entfernt, um eigenständig zu handeln. Sie sind wie andere natürliche Phänomene: Wer Elektrizität richtig begreift, der profitiert von ihr. Wer an einen blanken Draht packt, kriegt eine gewischt. Und wer nach korrektem Ritus ein adequates Objekt der Kraft aussetzt, kann einen Teil der Kraft mitnehmen. Ob das eine Reliquie ist, die nach der Segnung heilt oder eine Batterie, die aus dem Ladegerät genommen wird, ist vom Ablauf egal. Hier trifft Battletechs ComStar dann eben auf die Religionen der Vormoderne.

Die Endstufe der Entrückung ist dann in einer Welt erreicht, wenn nur eine Gottheit existiert und alle anderen übernatürlichen Wesenheiten ihrem Willen unterworfen sind. In den abrahamitischen Religionen heißen diese Wesen Engel und sie anzubeten ist sinnlos. Sie sind machtlos und übermitteln nur den Willen Gottes. Man kann sie bestenfalls als Mittler für einen bitten, dem einen Kraftfeld seine Wünsche mitzuteilen.

Was mag ich nun im RPG lieber?

Mir ist das egal. Die Welt muss stimmig sein und die Autoren, der Spielleiter und am besten auch die Spieler sollten sich darüber im Klaren sein, wie die Welt funktioniert. Für die Charaktere ist indes nur wichtig, was ihre Umwelt glaubt. Wer von Gottheiten deren eigene Funktionsweise erklärt bekommt, ist vermutlich knietief in epischer Scheiße und sollte um einen revesibilisierten Eternia Memorabilis bitten.

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Ursus_Maior

43, Männlich

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Re: Erfahrungspunkte für gutes Rollenspiel...

von Ursus_Maior am 26.03.2014 16:08

Meine Erfahrung bei XP sind eigentlich recht simpel zusammengefasst. Es gibt Spieler denen bedeutet es viel, was ihr Charakter kann und es gibt solche, denen ist es egal, wann und wie ihr Charakter neue Fähigkeiten erwirbt. Und das ist ja die Möglichkeit, die aus dem Verdienst von XP und ähnlichen Punkten (so z.B. "Karma" bei SR5: Es ist explizit nur teilidentisch mit "Erfahrung", da die "Karmapunkte" auch für moralisch integeres Verhalten vergeben werden, dazu unten mehr) erwächst.

Den Spielern, die intrinsisch hoch motiviert sind und praktisch keine Motivation aus dem Steigern ziehen, werden weder über zusätzliche XP meckern, noch über ihr Ausbleiben. Wem Charakterentwicklung durch Werterhöhung etwas gibt, der wird immer versuchen viele XP zu bekommen und fühlt sich vielleicht abgelehnt, wenn er Bonus-XP nicht bekommt. Schlimmer noch, solche Spieler können sich abgelehnt fühlen, wannimmer sie weniger XP kriegen als andere Spieler. Die Vergabe von unterschiedlichen XP-Summen birgt daher für mich als SL oder Mitspieler immer die Gefahr, dass jemand Ablehnung wahrnimmt. Oder kurz: Ungleiche Behandlung - egal auf welcher Basis, sei es regelkonform oder Spielleiter- oder sogar Gruppenentscheid - kann immer in einem Verlust von akut erlebter Lebensqualität enden.

Ich schätze es daher mittlerweile überhaupt nicht mehr in einer Runde unterschiedliche XP-Mengen zu vergeben. Selbst wer nicht kommt, hat die gleichen XP verdient, damit er bei der nächsten Sitzung gleichauf mit der Gruppe ist. Ich will nicht, dass ein Spieler erlebt, dass sein Charakter weniger kann, weil er selbst einen Nachtdienst schieben musste, seine Tochter krank war, die Oma gestorben ist oder er drei Wochen im Urlaub war. Das Erleben der Spielwelt sollte meiner Meinung nach so wenig wie möglich an die Welt der Spieler gebunden sein.

Das heißt für mich klar, dass Leute, die XP an "Anwesenheit" oder "gutes Spiel" knüpfen damit ein Problem haben werden. Damit kann ich leben. Ich halte diese Einstellungen für unreflektiert und sie vermischen Ingame und Outgame auf eine (potentiell) negativ erlebte Art. Bei meinem Hobby will ich nicht an meiner Anwesenheitsquote oder der Einschätzung meiner Spielqualität evaluiert werden. Ich werde schon im Beruf ständig durchgemessen.

Noch weniger mag ich daher den Ansatz die Fertigkeitsverbesserung von Charakteren an moralisch integeres Verhalten zu knüpfen. Das neue SR5 tut dies leider - wenn auch nur mit ein paar Zeilen - und vergibt "Karma" auch nach Verhalten. Mehr Karma für "Integrität" und "Robin Hood"-Manier, weniger Karma für "pro-Konzern"-Verhalten. Das ist meiner Meinung nach doppelter Unsinn. Einerseits vermischt sich hier Erfahrung, als Lernen mit Moral. In der Berufswelt, die ich überblicke sind Arschlöcher technisch nicht schlechter als nette Leute. Sie werden weniger gemocht, aber Kontakte kauft man bei SR5 nicht mit Karma. Außerdem limitiert es meine Spieloptionen. Wenn ich eine Runde Runner spielen will, die "auf der falschen Seite" unterwegs ist, kann ich entweder weniger Karma geben oder die Regel ignorieren. Regeln, die aus gutem Grund ignoriert werden können, sollten nicht in ein Grundbuch.

Dazu kommt der Punkt, dass ich als Spieler (und Spielleiter) eben nicht für meine Entscheidungen als solche bewertet werden will, sondern bestenfalls für die Authentiztät der Entscheidung in Bezug auf den Charakter. Wenn mein Charakter also nicht dem Ork-Untergrund helfen will sondern lieber dem rassistischen Megakon, dann ist das vielleicht nicht nett. Aber es heißt nicht, dass er während des Runs weniger lernt oder in der Folge der schlechtere Kämpfer ist. Er kann sogar sehr gute Gründe dafür haben. Vielleicht hasst er Orks einfach. Vielleicht hat der Konzern etwas gegen ihn in der Hand. Oder vielleicht braucht er auch einfach die bessere Bezahlung, weil er eine Familie ernähren muss.

Zusammengefasst finde ich, dass XP ein schwieriges Instrument sind, wenn man damit irgendetwas tun möchte außer zu Steigern. Jegliche Form von Bewertung von Spieler- oder Charakterentscheidungen (und auch das sind ja Spielerentscheidungen) birgt die Chance zu outgame-Konflikten. Das geht am Sinn des Hobbys vorbei.

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Ursus_Maior

43, Männlich

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Re: Lameth goes Fantasy 2014

von Ursus_Maior am 03.12.2013 16:19

Hodor?

Ich bin jetzt auch da und übernehm gern einen Part, Lameth.

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