Die "beliebtesten" Rollenspiele - nicht mehr als kgV?

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Athair

97, Männlich

Beiträge: 445

Re: Die "beliebtesten" Rollenspiele - nicht mehr als kgV?

von Athair am 07.03.2016 13:40

Das mit der Qualität ist so eine Sache. Ich will von vorn anfangen.

Geschrieben hatte ich Folgendes:

Und dabei sind die Regeln jeweils noch nicht mal gut.

Und deswegen kann ich dazu keinen Widerspruch ausmachen:
[...] aber heute gibt es nur noch wenige Mainstream-System, die man wirklich objektiv als "schlecht" entlarven kann.

Wenn etwas nicht gut ist, muss es noch lange nicht schlecht sein. Ich würde Spiele wie z.B. Pathfinder regelseistig auch eher als "befriedigend" oder "ausreichend" bezeichnen. Nicht als "schlecht".


Ein Mangel an Fokus schließt nun mal auch wenige Leute aus. Wenn man bspw. ein sehr fokussiertes Indie-Rollenspiel spielen möchte, kann man tendenziell nicht einfach ein paar doofe Regeln weglassen oder ne komplett andere Kampagne/ein anderes Genre spielen, während "die großen" das meistens irgendwieee hinkriegen, eben weil ihre Regeln so wenig fokussiert sind. Also ja, ein bisschen was für jeden, oder vielleicht treffender, es gibt weniger unumgängliche Deal Breaker.

Das ist eine hervorragende Beobachtung. Und daran kann ich auch erklären, warum ich die Regeln für "nicht gut" halte.

Zunächst spart sich die Gruppe, wenn sie sich auf Spiele wie Pathfinder oder DSA verständigt Absprachen zu Spielstil, Erwartungen, Dealbreaker, ... Man kann direkt losspielen. Es ist ja für jede(n) was dabei, sodass jede(r) - zumindest theoretisch - auf seine Kosten kommen kann. Dafür braucht es auch eine gewisse Komplexität und Kompliziertheit - weil bestimmte Schritte regelseitig einfach unabhängig voneinander oder aufeinander aufbauend gegangen werden müssen.

Am Spieltisch passiert dann aber Folgendes: Um ein flüssiges Spiel hinzubekommen, lässt die Runde Regeln weg, bringt Hausregeln ein, legt sie frei aus, ... Das wiederum wirkt sich auf den Regelkorpus aus. Plötzlich greifen bestimmte Mechanismen nicht mehr richtig. Tun die Regeln nicht mehr das, was sie innerhalb bestimmter Regelkomplexe tun sollen. Die Gruppe bastelt weiter an Workarounds. Und so geht das Spielchen weiter. Ständige Anpassung oder die Gruppe erreicht irgendwann einen Hausregelsatz, bei dem das Spiel für ihre Gruppenkonstellation funktioniert. (Was wiederum bei Cons Probleme machen kann. Das Phänomen der seit Jahren in gleicher Besetzung spielenden DSA-Con-Runde kommt mMn nicht von ungefähr.) Splatbooks, die bestimmte Präferenzen und Spielstile punktuell stärken, verschärfen das Problem noch. Die Klagen wegen "System-Bloat" kommen mMn daher.

Es gibt mMn aber auch Lösungen für das Problem der teilfunktionalen "eierlegenden Wollmilchsau". Nur bedeuten die vorab viel mehr Arbeit für die Spielrunde. Man könnte statt Pathfinder, das von Grund auf neudesignte FantasyCraft nehmen, das eher baukastenartig funktioniert. Um das zu "Laufen" zu bekommen, muss man aber entweder mit noch mehr Regeln ins Spiel starten und dann systematisch aussortieren oder vorab wissen, was die Runde will. Oder man nimmt Spiele wie True20. Da kann man weniger aussortieren muss aber noch mehr vorab klären.


Die Erklärung, dass Mainstream-Spiele so sind, wie sie sind, weil das im wirtschaftlichen Interesse der Verlage liegt, teile ich durchaus. Eine Lösung könnte da sein, dass Regeln in "simple, basic und advanced" aufteilt werden, wie das z.B. Swords & Wizardry oder Labyrinth Lord tun. D&D 5 geht mit "basic" (PDF) und "core rules" etwas halbherzig einen ähnlichen Weg. (Wobei auch hier wieder das Problem der Vorabentscheidung entsteht. Wenn auch deutlich entschärft. Man kann nämlich mit einer der Regelvarianten sofort losspielen.) Ob das für die Verlage ein gangbarer Weg ist? Ich weiß nicht. Die Produkte müssten dann ja entweder in 3-facher Weise gedruckt werden oder z.T. eine dreifache Möglichkeit der Regelanwendung berücksichtigen. Was bei der Kundschaft wiederum für Verwirrung sorgt und deswegen eher unbeliebt ist.

Vielleicht wäre die sinnvollste Lösung: Spiele als "rules medium" zu veröffentlichen. Dazu dann Werkzeugkoffer, um die Spiele zu vereinfachen oder zu vertiefen, sowie kreative Bastelbücher. (Sowas wie Vornheim oder Abenteuer wie Scenic Dunnsmouth oder Knives in the Dark, die einfach zu bedienende Abenteuerkits sind.) Wobei das auch nachteilig sein könnte. Gerade Quellenbücher und Abenteuer werden von Rollenspielern ja gern mal als "Romanersatz" gelesen. Und dafür würden sie sich in der vorgeschlagenen Form halt weniger eignen, weil sie tatsächlich mehr für den Einsatz am Spieltisch gedacht sind.


Womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären: "I want it all", bzw. "jedem, das, was er will" verhindert per se, dass Spiele eine Spielrunde mit gut designten Regeln beim Spiel wirklich unterstützen. Also "kgV".


Aber - vor allem, weil Du von Regelmonströsitäten sprichst - mit der zunehmenden Regelumstellung der meisten System, umm einerseits alles gleichzuschalten und andererseits wirklich allen Spieler die große Powernummer zu gestatten, habe ich mich immer mehr von den Mainstream-Systemen gelößt und feiere kleinere Systeme mit schnellen, einfachen und gut spielbaren Spielmechaniken.

So ist von den damaligen Systemen eigentlich kaum etwas geblieben und gerade Systeme wie DnD-3.x+, Pathfinder, DSA und Systeme mit "Du brauchst unsere Würfel"-Hintergrund sind bei mir in die (geistige) Tonne gewandert.

Vielleicht ist es dahingehend eine relativ normale Entwicklung, dass man, sobald man merkt, dass die "Großen" nur teilfunktionale Spielerlebnisse bilden, auf andere Spiele umsteigt. Dass man irgendwann (zwischendrin) bei Universalsystemen wie FATE, GURPS, Savage Worlds, Fantasy Age landet. Bis man merkt, dass auch die keine funktionierenden "eierlegenden Wollmilchsäue" sind. Und dann geht es zu den kleineren. Oder zum nächsten Hype. Oder zu vielen kleinen Indies. Und irgendwann hat man hoffentlich ein sinnvoll spiel- und leitbares Portfolio beisammen. Die müssen dann leider immer wieder gegen die Großen "verteidigt" werden. Spieler müssen gewonnen und überzeugt werden. Vielleicht auch in der Hinsicht, dass es sich mal lohnt nicht eine "Wollmilchsau" zu bespielen.



Alternativtext

Antworten Zuletzt bearbeitet am 07.03.2016 13:59.

Nebelherr

99, Männlich

Beiträge: 158

Re: Die "beliebtesten" Rollenspiele - nicht mehr als kgV?

von Nebelherr am 07.03.2016 16:07

Eine Lösung könnte da sein, dass Regeln in "simple, basic und advanced" aufteilt werden, wie das z.B. Swords & Wizardry oder Labyrinth Lord tun.

Halte ich für eine sinnvolle Idee. Lässt sich aber auch mit Deiner Idee einer "Rules Medium" Variante und Werkzeugkoffer vereinigen. Ist doch letztlich einfach eine Sache der Präsentation. Man kann ja auch viel mehr als optional bezeichnen und in kleinere Regelgrüppchen unterteilen. Eben wie Module in einem Bastelkasten. Und zur Übersicht gibts dann kleine Zettelchen zum ankreuzen um zu bestimmen welche Regelmodule verwendet werden. Die könnte man dann im Vorfeld auch absprechen und zwischen Spielleiter und Spielern hin und her schicken ( per Mail, nicht per Brieftaube, natürlich ). Dann weiß jeder worauf er sich einlässt. Da müsste es ja dann einfach nur Erweiterungsbücher geben, die die generelle Regelvielfalt und Regeltiefe anheben und alles immer ein bisschen erweitern. Eben kein reines "Kampfbuch" oder "Zauberbuch".

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La_Cipolla

37, Männlich

Beiträge: 532

Re: Die "beliebtesten" Rollenspiele - nicht mehr als kgV?

von La_Cipolla am 07.03.2016 16:43

Wobei man an der Stelle fragen darf, ob "core only" nicht schon genau diese überschaubare Variante sein sollte bzw. sein kann; die Entwicklung der letzten Jahre geht auf jeden Fall dahin. Um wieder die genannten Beispiele zu bringen: DSA4 mit dem Basisregelwerk war schon ein seeehr dünnes Spiel (wenn auch meiner persönlichen Meinung nach besser als das Wege-Gesamtpaket ;D), während DSA5 nur mit dem GRW eine ganz ordentliche Auswahl an Optionen bietet. Shadowrun 3 nur mit dem Grundregelwerk war gerade auf der magischen Seite fucking langweilig, aber in SR4+5 benutze ich gar keine Zusatzbände mehr. Splittermond und D&D5 funktionieren nur mit dem Grundregelwerk schon so richtig gut, und sogar Pathfinder, als "poster child" der endlosen Zusatzbände, ist imho ein ziemlich komplettes Spiel, bevor man irgendetwas dazu kauft.
Aber ja, das ist fast alles implizit. Afaik hat nur D&D5 eindeutig gesagt, dass alle Zusatzregeln aus den ersten Jahren regions- oder kampagnenspezifisch ausfallen werden. (Wobei das sowieso noch eine etwas andere Strategie fährt als die anderen.)
Splittermond und Pathfinder haben ja auch noch Beginnerboxen mit "heruntergebrochenen" Regeln unterschiedlicher Kompatibilität, und das Stichwort "DSA Klassik" wird auch immer mal wieder in den Raum geworfen; was auch immer das dann wird.

Es ist wohl erfahrungsgemäß auch so, dass die Prozentzahl der Spieler, die nur mit dem GRW spielen, gar nicht mal sooo zu unterschätzen ist; das war auch einer drei zwei Gründe, die zur Produktpolitik von D&D4 und den neuen Star Wars/Warhammer-Spielen geführt haben, wo es gleich mal mehrere Grundregelwerke gibt.

Vielleicht wäre die sinnvollste Lösung: Spiele als "rules medium" zu veröffentlichen. Dazu dann Werkzeugkoffer, um die Spiele zu vereinfachen oder zu vertiefen, sowie kreative Bastelbücher. (Sowas wie Vornheim oder Abenteuer wie Scenic Dunnsmouth oder Knives in the Dark, die einfach zu bedienende Abenteuerkits sind.) Wobei das auch nachteilig sein könnte. Gerade Quellenbücher und Abenteuer werden von Rollenspielern ja gern mal als "Romanersatz" gelesen. Und dafür würden sie sich in der vorgeschlagenen Form halt weniger eignen, weil sie tatsächlich mehr für den Einsatz am Spieltisch gedacht sind.

Optionalität kann aber auch ziemliches Kassengift sein, gerade für ein paar wichtige Zielgruppen in Deutschland (von wegen "NICHT OFFIZIELL?!", auch wenn es ... total offiziell ist ;D). Kommt aber drauf an; das letzte DSA-Alternativsetting etwa, diese historische Box, ist afaik ziemlich gut angekommen.

Los Muertos, ein Rollenspiel mit Skeletten - Inklusive Thread am Nerdpol!

Antworten Zuletzt bearbeitet am 07.03.2016 16:45.
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