Rollen auspielen "Problem"
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Rollen auspielen "Problem"
von jackhein am 01.02.2017 19:42Hi, ich spiele zwar schon recht lange PnP, aber ich hab dass Problem das ich meist bei mein Charakteren zusehr in mein eigenes "Ich" falle, was natürlich beim leiten dann meist sehr auffällt und für einige Spieler dann zu trocken wird.
Ich wollte daher mal fragen, hat jemand von euch diesbezüglich irgendwelche Tipps oder dergleiche Methoden die euch dabei helfen schnell in eine Rolle rein zukommen und drin zu bleiben.
Re: Rollen auspielen "Problem"
von Nuvok am 01.02.2017 20:29Ich habe mir eine paar typische Sätze, die mein Char immer wieder mal von sich gibt, aufgeschrieben (mit passendem Dialekt) und dazu das Charakterbild angeschaut. Notizen zu bestimmen verhaltensmustern waren auch hilfreich. Außerdem habe ich vor den Runden (meist) ein paar kleine YouTube-Videos geschaut, mit einem Best off eines Charakters, der meinen von der Persönlichkeit recht nahe kommen sollte.
"Don't be a dick!"
- Wheaton's law (PAX 07)
Re: Rollen auspielen "Problem"
von Kali_Brie_Rung am 01.02.2017 20:58Witzig. Ich vermute, dass 90% aller älteren Rollenspieler in einer "ähnlichen Lebensphase" eine "ähnliche Krise" durchgemacht haben. Das klingt für mich so, als wärest du an der Schwelle zu einer neuen Dimension des Rollenspiels.
Schwächen und Stärken, welche sich bewusst von deinen Unterscheiden können helfen einen Fokus auf eben diese Charakterzüge zu legen. Wobei es schwierig ist, für einen Gerspächsmuffel einen Charmeur zu spielen und umgekehrt ist es für "Quasselstrippen und Bühnengeile" sich auf introvertierte Charaktere zu reduzieren. Aber reizend ist es sich daran zu versuchen...
Re: Rollen auspielen "Problem"
von Trollchen am 10.02.2017 04:58Reduzieren dürfte - vor allem, wenn es bloß den einen oder anderen NSC betrifft - trotzdem noch leichter sein,
als über sich hinaus wachsen. Nicht jeder taugt zum Schauspieler und ich persönlich arbeite auch eher selten mit Stimme verstellen o.ä. als Spielleiter. Klar kann man an Schwächen arbeiten, aber du hast sicherlich auch andere Stärken im Gegenzug.
Als Spieler wähle ich auch regelmäßig eher Charaktere, die mir dann auf Dauer Spaß machen, die sind dann auch eher "bequem",
also für mich dann auch tagesformunabhängig gut spielbar.
Als Spielleiter hat man ja glücklicherweise massig Auswahl um sich auszutoben, da darf dann auch mal ein klerikaler Fanatiker oder sonstwas dabei sein, was mir als einziger Charakter - wäre ich denn Spieler - dann auf Dauer zu nervig wäre.
Für sowas helfen dann Notizen zu den NSC mit Charakterzügen (und anderen Daten wie Aussehen, Alter etc.), das bringt eine gewisse Beständigkeit. Hilfreich ist es halt, wenn man immer mal versucht, die Sichtweise zu wechseln.
Versuche zu verinnerlichen, was die jeweilige Person möchte, was sie umtreibt und was sie weiß oder eben auch nicht weiß,
die Glaubwürdigkeit der Charaktere hängt nicht bloß an der Stimme oder Macken.
"Der Klügere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit."
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Re: Rollen auspielen "Problem"
von MaurizioPh am 26.07.2017 09:33Zunächst einmal ist es völlig normal, dass man in einen Charakter zunächst reinfinden muss. Da ich jetzt hier rauslese, dass es dir um den schauspielerischen Aspekt geht, versuche ich auch auf den mal einzugehen, weil er bei uns in der Runde der Standardstil ist. Soll natürlich nicht heißen, dass nicht-schauspielerische Runden schlechter seien. Wir mögen es aber eben so.
Ich persönlich finde es sinnig, ein Role-Model zu haben.
Am besten funktioniert das natürlich mit Film-/Serien-Charakteren, denen man eine Zeit lang folgen und ihren "Kern" erforschen kann.
Oftmals reichen dann ein zwei Eigenschaften/Szenen/Zitate um das grobe Konzept im Kopf zu haben, auch während des Spiels. In meiner Erfahrung entwickelt sich das Konzept eines Charakters immer weiter. Es ist organisch, nicht wie im Film. Der Charakter besitzt im Rollenspiel quasi keine "reale" Vorgeschichte bevor du ihn spielst. Da hilft dir auch ein Character Burner ala Burning Wheel nicht weiter. Die meisten Charaktere verändern sich dramatisch in dem Moment wo du sie das erste Mal spielst. Diese ersten Momente sind dann häufig ausschlaggebend für die darauffolgenden Entwicklungen. Im Grunde hast du erst nach etwa 3 bis 5 Spielabenden ein stabiles Persönlichkeitskonstrukt.
Das ist auch völlig in Ordnung. Persönlichkeit ist etwas, dass sich auf dem Papier nicht zwangsläufig in die Reale Spielsituation übertragen lässt. Deshalb ist es eben umso netter, wenn du jemanden im Bewegtbild beobachten und von ihm lernen kannst. Wir sind diese Art des Lernens am Modell als Menschen sowieso gewöhnt.
Wenn es dir jedoch darum geht, dass deine Charaktere anders sind als du, hilft folgende Überlegung bei der Charaktererschaffung:
Nenne einen Glaubenssatz/eine Überzeugung, die dien Charakter hat, der du selbst (und vielleicht auch der Rest der Welt) eindeutig nicht zustimmen würde. Oder anders: Wo liegt dein Charakter deiner Meinung als Spieler nach falsch?
Diese Kleinigkeit hilft schon massiv weiter und so bauen auch viele Screenplaywriter ihre Charaktere. Ist bei mir übrigens ziemlicher Standard in der Runde (und wird auf dem Bogen festgehalten). Muss man aber natürlich nicht.
Zudem bedarf es für einen Charakter, der auffällt, Mut. Ganz ehrlich. Wir mögen zwar gewöhnt sein, zusammen an einem Tisch zu sitzen und mit Würfeln Abenteuer zu erleben, aber wirklich aus sich raus zu kommen und heftige Emotionen zu zeigen, das bedarf die Überwindung von Schamgrenzen. So sehr immer alle behaupten, das wäre kein Problem: Doch! Ist es. Für fast jeden. Niemand ist geborener Schauspieler und unsere Gesellschaft legt in der Öffentlichkeit viele Taboos auf uns: Weinen, Schreien, wütend werden. Schonmal einen Charakter gespielt der am Tisch wirklich geweint hat? Das ist crazy!
Zum Glück ist es für dich als Spieler nur genau eine Sekunde crazy, danach siehst du die erstaunten Reaktionen deiner Mitspieler und plötzlich ist es geil, weil es Immersion fördert. Das hat natürlich nicht zwangsläufig was mit "wie spiele ich nicht mich selbst zu tun" aber das Niederreißen dieser Schamgrenzen sorgt für eine neue Perspektive und ungeahnte Freiheit. Wenn sowas erstmal "okay" bei euch wird, dann eröffnen sich völlig neue Charaktermöglichkeiten.
Meiner Erfahrung nach wird das aber eigentlich immer sehr belohnt. Wirklich Wände niederzureißen und sich mal so richtig reinzusteigern kann, nach anfänglicher Überwindung, enorm befreiend und spaßfördernd sein.
Ein guter Indikator ist dein Bauchgefühl. Wenn du dir denkst "nee, das kann ich jetzt nicht machen. Wenn ich den jetzt richtig anschreie denkt der sonst noch was von mir" ist das exakt der Punkt an dem du loslassen "musst".
Ich persönlich habe zudem die Theorie, dass ein Spieler über etwa 4-5 wirklich "gute" Charaktere verfügt. Damit sind die Stereotypen gemeint. Einer dieser "Charaktere" kann in vielen SCs verarbeitet werden. Im Endeffekt kommt aber selbst in einer Runde, in der Spieler 12 oder gar 20 Charaktere spielen, etwa eine gesamtmenge von 3-5 wirklich unterschiedlichen Persönlichkeiten dabei raus. Manchmal mehr, manchmal weniger. Je nach Spieler.
Doch diese Persönlichkeiten kommen nicht von selbst. Die müssen "erarbeitet" werden und das bedeutet ausprobieren. Vielleicht kannst du einfach nicht gut "Wissenschaftler" spielen, dafür aber hervorragend brutale Barbaren und charmante Casanovas. Aber dafür musst du alles mal ausprobieren, dich trauen, deinen Weg finden.
Soviel zumindest, was meine Erfahrung angeht :)
Ich wünsche dir viel Erfolg und großartige Charaktere!
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